Eine Lesung mit dem Autor Christian Fuchs
Als im November 2011 ein Wohnmobil in Eisenach und zeitgleich ein Wohnhaus in Zwickau in Flammen aufgehen, fliegt der „Nationalsozialistische Untergrund“ auf – eine rechtsextreme Terrorzelle, die zehn Morde und zwei Bombenanschläge verübt, Banken überfallen und fast 14 Jahre im Untergrund gelebt haben soll.
In „Die Zelle – Rechter Terror in Deutschland“ nähern sich Christian Fuchs und John Goetz in einer Reportage den Biographien der drei mutmaßlichen Täter*innen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und beschreiben, wie aus Mittelschichtskindern rechtsextreme Terrorist*innen werden konnten – ohne gefasst zu werden. Detailreich und beklemmend beschreiben die Autoren, wie die drei Extremist*innen ihre Taten verübten, wer ihnen half und wie sie ihren Alltag organisierten. Parallel zur Geschichte der Terrorzelle beschreibt das Buch das gesellschaftliche Klima in Deutschland nach der Wende, in dem sich das Trio radikalisierte. Außerdem zeigt es die Pannen von Polizei, Geheimdiensten und Politik auf. Christian Fuchs ist Reporter für die Süddeutsche Zeitung und den NDR. Mit John Goetz hat er sechs Monate lang über 150 Personen aus dem Umfeld der Zelle interviewt und hatte Einblick in über 100.000 Seiten geheimer Ermittlungsakten. Die Presse lobt ihre biografische Annäherung an das Trio als „detailreich, gut recherchiert und spannend geschrieben“.
LVZ-Bericht: „Beklemmende Nahaufnahmen der Terrorzelle“
Christian Fuchs liest im Stadtkulturhaus Borna
Borna. Christian Fuchs stellte sein Buch „Die Zelle: Rechter Terror in Deutschland“ im Stadtkulturhaus Borna vor. Es beschäftigt sich mit der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Der Verein Bon Courage hatte zu der Lesung am Freitagabend eingeladen.
Von Nicole Rathge-Scholz
Der 34-Jährige, in Halle geboren, arbeitet als Journalist für die Süddeutsche Zeitung und den Norddeutschen Rundfunk (NDR). „Ich hatte Jan Sobe von Bon Courage in Leipzig kennengelernt. Dort hielt er einen interessanten Vortrag über die Punkbewegung in der DDR. Wir kamen ins Gespräch, und er meinte, ich könne doch mal nach Borna kommen. Hier bin ich“, lächelt der junge Mann, der mittlerweile in Leipzig zu Hause ist. Eigentlich wollte er nach einigen Jahren journalistischer Arbeit in Hamburg und München keine Texte mehr über Hartz IV, Stasi und Nazis in Ostdeutschland schreiben. Weil es hier auch schöne und positive Dinge gebe.
Doch dann rollte der Fall „Zschäpe und Co.“ an. Im November 2011 brannte es in Eisenach. „Die Redaktion rief mich an und meinte, dass es etwas Größeres als nur ein Banküberfall zu sein scheint. Ob ich Lust hätte, bei einem Dokumentarfilm für die ARD mitzumachen.“ Das lehnte der in Weimar aufgewachsene Fuchs natürlich nicht ab. Allerdings hatten er und seine Kollegen nach zwei Monaten so viele Informationen zusammengetragen, dass am Ende drei Filme produziert wurden. „Es war aber unmöglich, alle Infos in diese Filme zu packen. Deshalb entschloss ich mich, gemeinsam mit John Goetz ein Buch zu verfassen“, erklärt er die Entstehung des Werkes. Die Motivation, sowohl den Film als auch das Buch zu veröffentlichen, war vor allem, verstehen zu wollen, wie aus Kindern der Mittelschicht Terroristen wurden. Und wie sie es schafften, 14 Jahre nicht aufzufallen. „Nach unseren Recherchen, die viel ans Tageslicht brachten, kann man zwar nicht verstehen, wie Menschen so kaltblütig sein können und morden. Aber man kann vielleicht nachvollziehen, wie sie so geworden sind.“
Der Autor las aus dem 2012 erschienenen Buch, das die Geschichte der Zwickauer Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ erzählt. Es rückt ganz nah heran an die Biografien von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe. In einer detailreichen Reportage schildert es in beklemmenden Nahaufnahmen, wie die drei Extremisten ihre Taten verübten, wer ihnen half und wie sie ihren Alltag organisierten. Parallel zur Geschichte der Terrorzelle beschreibt das Buch das gesellschaftliche Klima in Deutschland nach der Wende, in dem sich das Trio radikalisierte. Es zeigt auf, welche Umstände dazu führten, dass über ein halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs wieder solch brutaler Terror von Rechts gedeihen konnte.
„Das Thema NSU ist zwar mittlerweile in den Medien abgeklungen, aber dennoch präsent. Zwar nicht in dem Ausmaß von Morden, aber in verbaler Hinsicht und psychischer Gewalt im Alltag“, erklärt Bon-Courage-Aktivist Jan Sobe. „Wir werden deshalb weiter kontinuierlich Aufklärungsarbeit leisten und diese Themen nicht einfach abhaken.“