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Gedenkstättenfahrt 2016

Fahrt nach Warschau, Treblinka, Rastenburg, Danzig, Stutthof

Bereits seit 2008 organisieren wir über unseren Verein Bon Courage e.V. jedes Jahr eine Gedenkstättenfahrt, die 20 Jugendliche und jungen Erwachsene über die Osterfeiertage nach Polen führt, damit wir uns hier gemeinsam auf die Spuren nationalsozialistischer Verbrechen begeben können, die während des Zweiten Weltkriegs vor allem im Zuge der Shoa begangen worden sind. Nachdem wir in der Vergangenheit bereits sieben Fahrten in das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz sowie eine Fahrt in den östlichen Teil Polens durchgeführt haben, um dort unter anderem die Gedenkstätten Majdanek und Belzec zu besichtigen, stand diesmal der Norden jenes Landes im Fokus unserer Planungen. Von der Hauptstadt Warschau aus wollten wir die Gedenkstätte Treblinka und das ehemalige Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ besichtigen, um die verbleibenden Tage in Danzig an der Ostseeküste zu verweilen und von hier aus einen Tag im ehemaligen Konzentrationslager Stutthof zu verbringen.

Nachdem wir das Programm erarbeitet hatten, begann unser vierköpfiges Team damit, einen Bus sowie Unterkünfte und Führungen zu buchen und die Fahrt zu bewerben. Es dauerte auch gar nicht lang, bis die ersten Interessenten ihre Teilnahme ankündigten. Wer durch die nun folgenden Zeilen Interesse entwickeln sollte, selbst einmal mitzufahren, kann sich gern mit uns unter info@boncourage.de in Verbindung setzen.

Tag 1

In der Vergangenheit markierte die gegen Mitternacht in Deutschland erfolgte Abfahrt den Beginn der meisten der von unserem Verein seit 2008 organisierten Gedenkstättenfahrten. Nachdem wir den verbleibenden Rest der Nacht für die Anreise nach Polen eingeplant hatten, war der erste Programmpunkt unserer Bildungsreisen für den frühen Vormittag des kommenden Tages angesetzt. Mit der Zeit erkannten wir jedoch, dass nur die wenigsten von uns eben jene Zeit schlafend im Bus verbrachten, was stets zur Folge hatte, dass viele von uns nach der Ankunft müde und wenig aufnahmebereit für das waren, was die Programmpunkte des folgenden Tages boten. Demzufolge entschieden wir uns, lieber tagsüber zu fahren und einen Tag für die Anreise einzuplanen, um somit gewährleisten zu können, dass alle Teilnehmer*innen nach der Ankunft genügend Schlaf in der jeweiligen Unterkunft erhalten würden, um ausgeruht für all das zu sein, was sie in den kommenden Tagen erwarten würde. Und so holte unser Busfahrer am Vormittag dieses Sonntags erst die eine Hälfte der Teilnehmer*innen am Bahnhof in Burgstädt und dann die andere Hälfte am Leipziger Hauptbahnhof ab.

Nach gut zehnstündiger Fahrt, in der wir uns die Zeit mit Quatschen, Lesen oder dem Schauen von Filmen vertrieben, passierten wir schließlich die Stadtgrenze der polnischen Hauptstadt. Nachdem wir unserer Unterkunft – das nach der berühmten Anarchistin Emma Goldman benannte Emma-Hostel – erreicht und unsere Zimmer bezogen hatten, erwartete uns erst einmal ein leckeres Abendessen in Form von Sojaschnitzeln, Kartoffelpüree und roter Beete, das zuvor von uns bei einem nahe gelegenen veganen Imbiss geordert und dankenswerter Weise direkt ins Hostel geliefert worden ist. Gut gesättigt stellten wir uns alle noch einmal im Rahmen einer in dem kleinen Aufenthaltsraum des Hostels durchgeführten Kennenlernrunde vor, um anschließend kurz die einzelnen Programmpunkte des folgenden Tages zu besprechen. Abschließend wollten wir den Tag gemütlich in einer Kneipe ausklingen lassen. Auf dem Hinweg tauschten einige von uns in weiser Voraussicht am Bankautomaten etwas Geld, da es sich in den nächsten zwei Tagen als sehr schwer erweisen würde, aufgrund der Feiertage und der folglich geschlossenen Wechselstuben an polnische Zloty zu gelangen. Die von uns anvisierte Kneipe erwies sich leider als hoffnungslos überfüllt, zumal wir ja obendrein auch eine recht große Gruppe waren. So kehrten wir geradewegs zum Hostel zurück, deckten uns zuvor aber in einem am Straßenrand gelegenen Spätverkauf noch mit einigen Getränken ein. Da unser Achtpersonenzimmer den meisten Platz bot, versammelte sich folglich der größte Teil der Gruppe in unserem Raum, um sich noch bis spät in die Nacht hinein zu unterhalten.

Tag 2

Im Anschluss an das reichhaltige Frühstück im Hostel, durchstreifte ich bei schönstem Sonnenschein auf der Suche nach dem Przychodnia-Squat die angrenzenden Straßenzüge. Jenes besetzte Haus war zwar schnell gefunden, erwies sich aber als verriegelt und verrammelt. Diese Sicherheitsvorkehrungen sind aber wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Squat in der Vergangenheit zum Teil sehr heftigen Angriffen seitens rechter Hooligans ausgesetzt war. Den ersten offiziellen Programmpunkt dieses Montags bildete der Besuch des Museums für die polnischen Juden POLIN. Ursprünglich hatten wir angedacht, diesen Museumsbesuch erst am Vormittag des nächsten Tages durchzuführen, um ein Übermaß an Input durch den Besuch zweier Museen an einem Tag zu vermeiden. Allerdings machten uns die Öffnungszeiten einen Strich durch die Rechnung, so dass wir erst das bereits erwähnte Museum und am Nachmittag dieses Tages das Museum des Warschauer Aufstands besichtigten. Da wir recht gut in der Zeit lagen, entschieden wir uns, auf die Straßenbahn zu verzichten und zu Fuß den Weg zum Museum zu bestreiten, das sich in unmittelbarer Nähe des Denkmals für die Ghettohelden auf dem Gebiet des ehemaligen jüdischen Ghettos von Warschau befindet. Nachdem wir das architektonisch beeindruckende Gebäude betreten und den für jüdische Einrichtungen leider erforderlichen Sicherheitscheck passiert hatten, begrüßte uns eine sympathische Frau in sehr gutem Deutsch, die uns in den kommenden zwei Stunden einen Überblick über die verschiedenen Ausstellungsbereiche des sehr umfangreichen Museums vermitteln würde. An der Rekonstruktion einer jahrhundertealten Holzsynagoge beginnend führte sie uns durch das jüdische Dasein im Polen des Mittelalters, der Frühen Neuzeit sowie der Zeitgeschichte. Hierbei wurden uns nicht nur Einblicke in die Religion des Judentums, sondern auch in das vor allem in der Zwischenkriegszeit florierende Leben jüdischer Literatur, Filme und Musik sowie in die Entfaltung eines jüdischen Erziehungs- und Bildungswesens – vor allem unter Federführung des berühmten jüdischen Pädagogen Janusz Korczak – gegeben. Umso erschreckender ist es, dass all dies, all diese kulturelle Vielfalt, dieser Ideenreichtum, dieses Wissen im Zuge des Zweiten Weltkriegs und der damit einhergehenden Entrechtung, Verfolgung und Vernichtung von Millionen von Jüdinnen und Juden – z.T. unwiederbringlich – ausgelöscht worden ist. In Ghettos wie jenem in Warschau unter katastrophalen Lebensverhältnissen zu Hunderttausenden zusammengepfercht, in Konzentrationslagern bis zur tödlichen Erschöpfung wirtschaftlich ausgebeutet, in Vernichtungslagern wie in Belzec, Sobibor oder Treblinka zu Millionen ermordet. Die Shoa beziehungsweise der Holocaust nahm demzufolge einen dementsprechend großen Raum innerhalb der Ausstellung ein, schließlich handelt es sich hierbei um einen in der Menschheitsgeschichte zweifellos einzigartigen Genozid. Der letzte Teil der Ausstellung widmete sich schließlich dem jüdischen Leben in Polen nach 1945 bis in die Gegenwart hinein. Insgesamt ein sehr zu empfehlendes Museum, dessen Besuch für all jene ertragreich ist, die das jüdische Dasein nicht ausschließlich auf die Shoa beschränkt sehen, sondern mehr über die Vielfalt (einstigen) jüdischen Lebens erfahren möchten, um zugleich aber auch die traurige Tragweite der antisemitischen Vernichtung während des Zweiten Weltkriegs zu erfassen. Wer auf der Suche nach entsprechender Literatur ist, wird sich beim Besuch des Museumsshop jedoch mit einer eher überschaubaren Auswahl an deutsch- bzw. englischsprachigen Büchern zufriedengeben müssen.

Eine Gruppe von etwa 15 Teilnehmer*innen steht vor einem großen Denkmal aus dunkel braunen Steinplatten. In der Mitte des Denkmals sind mehrere Steinfiguren, die ineinander übergehen. Im Hintergrund steht ein großer Wohnblock, der sich über die gesamte Foto-Breite streckt. Die Teilnehmer*innen tragen dicke Jacken, manche von ihnen haben eine Kaputze übergezogen. Der Himmel scheint bedeckt.
Die Teilnehmer*innen stehen vor dem Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto.

Tag 3

Für den Vormittag dieses Dienstags war ein Stadtrundgang durch das ehemalige jüdische Ghetto in Warschau vorgesehen, den eine Teamerin vorbereitet hatte, die vor einiger Zeit selbst ein Jahr lang in der polnischen Hauptstadt gelebt hat. Folglich fuhren wir im Anschluss an das Frühstück mit der Straßenbahn in jenen Teil der Stadt, in dem sich einstmals das jüdische Ghetto befand. Die erste Station im Rahmen unseres Stadtrundgangs bildete der ehemalige Umschlagplatz, auf dem sich die Menschen vor ihrer Deportation in die Konzentrations- und Vernichtungslager versammeln mussten. Im Juli 1942 begannen die Nazis, die jüdische Bevölkerung vom Umschlagplatz aus zu deportieren. Bis zu 7.000 Personen täglich und insgesamt über 265.000 Menschen wurden von diesem Ort bis September 1942 in die Vernichtung, vornehmlich in das Vernichtungslager Treblinka, geschickt. Anschließend führte uns unser Weg vorbei am Gedenkstein für den bereits erwähnten Janusz Korczak. Korczak wurde am 22. Juli 1878 als Henryk Goldszmit in Warschau geboren und wuchs in einer assimilierten jüdischen Familie auf. Nach seinem Medizinstudium und seiner Promotion zum Facharzt für Kinderheilkunde war er zunächst als selbiger in der Kinderfachklinik in Warschau tätig, bevor er zum Pädagogen avancierte. Ab 1911 leitete Korczak das nach seinen Plänen errichtete Waisenhaus „Dom Sierot“, das mit dem Befehl zur Umsiedlung der gesamten jüdischen Bevölkerung Warschaus im Jahr 1940 in das Warschauer Ghetto umziehen musste. Dort lebten Korczak und die Kinder unter unsäglichen Bedingungen. Im August 1942 wurden im Rahmen der Aktionen zur sogenannten „Endlösung der Judenfrage“ die etwa 200 Kinder des Waisenhauses von der SS zum Abtransport in das Vernichtungslager Treblinka abgeholt. Korczak selbst hatte zuvor wiederholt die Möglichkeit gehabt, sein Leben zu retten, aber alle diesbezüglichen Vorschläge entrüstet abgelehnt. Janusz Korczak starb im August 1942 zusammen mit seinen Kindern im Vernichtungslager Treblinka. Nur unweit vom Gedenkstein für Janusz Korczak entfernt befindet sich der ehemalige Bunker an der ulica Mila 18, dessen Inneres heutzutage jedoch nicht mehr begehbar ist. Auf der Kuppel der unterirdischen Bunkeranlage erinnert heute ein Gedenkstein an die Geschehnisse des jüdischen Warschauer Ghettoaufstands vom 19. April bis 16. Mai 1943. Der Bunker an der ulica Mila war einer der letzten Bunker, in dem sich vor allem die Anführer des Ghettoaufstandes versteckt hielten. Er wurde zum taktischen Hauptquartier für den Aufstand im Ghetto. Am 08. Mai 1943 wurde der Bunker schließlich entdeckt. Nachdem die Nazis Tränengas eingeleitet hatten, begingen die 300 Menschen im Bunker Selbstmord.


Den nächsten Stopp legten wir beim äußerst imposanten Denkmal der Ghettohelden ein, das optisch einerseits das durch radikalen Antisemitismus geprägte Leiden der jüdischen Glaubensgemeinschaft, andererseits aber auch deren Wille zum Widerstand gegen die nationalsozialistische Vernichtungspolitik symbolisiert und somit als zentraler Erinnerungsort für den Aufstand im jüdischen Ghetto gilt. Genau hier sank der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt am 07. Dezember 1970 während seines Warschau-Besuchs in aller Öffentlichkeit auf die Knie, um mit dieser Demutsgeste ein wirkungsmächtiges Symbol der Bitte um Vergebung für die deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs zum Ausdruck zu bringen. Brandts vieldiskutierter Kniefall vollzog sich jedoch auch vor dem Hintergrund der von ihm angestrebten Neuen Ostpolitik, mit der die BRD während des Kalten Krieges auf außenpolitischer Ebene durch etliche Abkommen und Verträge mit der Sowjetunion wie auch anderen osteuropäischen Staaten einen Ausgleich im Rahmen des Ost-West-Konflikts anstrebte. Heute erinnern ein kleines Denkmal sowie ein nach ihm benannter, sich in unmittelbarer Nähe zum Denkmal der Ghettohelden befindlicher Platz an die Geste Brandts. Nachdem etwa die Hälfte unserer Gruppe aufgrund des plötzlich einsetzenden, immer stärker werdenden Regens lieber via Straßenbahn den Rückweg ins Hostel antrat, besichtigten wir – zumindest von außen – die Gedenkstätte des ehemaligen Pawiak-Gefängnisses. Der Pawiak war von 1835 bis 1944 ein berüchtigtes Gefängnis für politische Häftlinge im Zentrum der polnischen Hauptstadt Warschau. Zu einem Symbol der Unterdrückung und Vernichtung wurde es jedoch erst unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Zwischen 1939 und 1944 wurden dort insgesamt etwa 100.000 Männer und im angeschlossenen Frauengefängnis „Serbia“ mehrere Tausend Frauen gefangen gehalten: Mitglieder des polnischen Untergrunds, aber auch bei den täglichen Razzien wahllos Verhaftete. Davon wurden etwa 37.000 Personen ermordet, weitere 60.000 in Konzentrationslager deportiert. Vom 19. auf den 20. Juli 1944 begann im Gefängnis ein Aufstand, der einen Massenausbruch zum Ziel hatte. Unterstützt wurde der Aufruhr durch einen externen Angriff der Armia Krajowa, mit der die Häftlinge mit Kassibern in Verbindung standen. Der Aufstand und der Angriff schlugen fehl. 380 Häftlinge wurden daraufhin hingerichtet. Die letzte Deportation von Häftlingen vor dem Warschauer Aufstand fand am 30. Juli 1944 statt. 2.000 Männer und 400 Frauen wurden in die Konzentrationslager Groß-Rosen und Ravensbrück verschleppt. Nach Ausbruch des Aufstandes am 01. August 1944 wurden alle verbliebenen Häftlinge erschossen und das Gebäude am 21. August in die Luft gesprengt. Erhalten blieben nur einige wenige Mauerreste sowie eine in der Nähe wachsende Ulme, an der Gedenktafeln befestigt wurden. Nachdem der Baum durch die Ulmenkrankheit einzugehen drohte, wurde er im Jahre 2005 durch einen Bronzeabguss ersetzt. Die geborgenen Reste des Baumes wurden präpariert und befinden sich heute im Museum der Gedenkstätte. Dieses befindet sich seit 1990 auf dem Gelände des ehemaligen Gefängnisses. Nachdem wir die Gedenkanlage für die kleine Brücke besichtigt hatten, die einerseits das große mit dem kleinen jüdischen Ghetto verband und andererseits das Ghetto von der so genannten „arischen“ Seite der Stadt trennte, bildete ein erhalten gebliebenes Fragment der ehemaligen Ghettomauer schließlich den Schlusspunkt unseres Stadtrundgangs. Nachdem schon seit dem 12. Oktober 1940 alle jüdischen Einwohner*innen der Stadt in das Warschauer Ghetto zwangsumsiedeln mussten, wurde in der Nacht vom 15. auf den 16. November 1940 dieses Gebiet mit einer 18 Kilometer langen und drei Meter hohen Umfassungsmauer abgeriegelt. Auf der Mauer wurde Stacheldraht befestigt, um jegliche Fluchtversuche unmöglich zu machen. Diese Mauer musste von den jüdischen Bewohner*innen selbst gebaut und bezahlt werden. Sie stellte die unumgehbare Grenze zwischen Leben und Tod dar. Kinder, die Lebensmittel durch kleine Mauerlöcher schmuggeln wollten, bezahlten dieses risikoreiche Unterfangen oftmals mit ihrem Leben. Da wir uns etwas verspätet hatten, wartete die andere Hälfte unserer Gruppe in der Nähe unseres Hostels bereits abreisefertig im Bus auf uns. Nach gut zwei Stunden Fahrt erreichten wir schließlich die Gedenkstätte des ehemaligen Vernichtungslagers Treblinka. Es erwies sich als gar nicht so einfach, die Gedenkstättenanlage überhaupt erst einmal zu finden, da selbige gut verborgen im Wald liegt. Nachdem wir unser Ziel nach einiger Suche schließlich gefunden und den Eintritt an dem kleinen grünen Kassenhäuschen entrichtet hatten, in dem es auch einige themenbezogene Publikationen zu kaufen gab, begaben wir uns vom Besucherparkplatz aus in Richtung Gedenkstättenanlage. Unser Weg führte uns vorbei an einer Informationstafel, auf der die einstige Existenz zweier Lager – des Zwangsarbeitslagers Treblinka I und das Vernichtungslagers Treblinka II – verdeutlicht worden ist. Wir durschritten zwei große, schräg in Richtung des ehemaligen Lagergeländes weisende Betonblöcke, die das einstige Lagertor markieren. Schroffe, zu unserer Rechten stehende Gesteinsquader ließen den ehemaligen Zaun erahnen, der das Lager umgab, während die zur Rampe führenden Schienen durch auf dem Boden liegende Betonblöcke symbolisiert wurden, die Eisenbahnschwellen nachempfunden worden sind. Als wir die Rampe erreicht hatten, gab ich der Gruppe – angereichert durch einige Zeitzeugenzitate – einen Überblick über die Geschichte des Vernichtungslagers Treblinka, da die Gedenkstätte selbst leider keine Führungen anbietet. Im Anschluss besichtigten wir die sich auf dem ehemaligen Lagergelände befindliche Gedenkstättenanlage, die in Erinnerung an das Vernichtungslager Treblinka 1964 eingeweiht wurde, nachdem selbiges infolge eines Häftlingsaufstands im August 1943 aufgelöst und abgerissen worden ist. Von der Rampe führt ein Weg in das einstige Lagerinnere, neben dem in einer Gruppe Steine mit den Namen der Herkunftsländer der Deportierten stehen: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Jugoslawien, Österreich, Polen, Sowjetunion, Tschechoslowakei. An der ungefähren Stelle der Gaskammern erhebt sich ein acht Meter hoher, in der Mitte gespaltener Turm mit quadratischem Grundriss. Er besteht aus großen Granitquadern und wird von einer auskragenden Krone abgeschlossen. In die Krone sind auf drei Seiten in Reliefform schematisch menschliche Körper sowie darüber segnende Hände angedeutet. Auf der vierten, von der Rampe abgewandten Seite ist auf der Krone eine Menora abgebildet. In einem neben dem Turm liegenden Stein sind in den Sprachen der Opfer – Polnisch, Hebräisch, Jiddisch, Russisch, Englisch, Französisch und Deutsch – die Worte „Nie wieder“ eingemeißelt. Hinter dem Turm symbolisiert in einer seichten Mulde ein rechteckiges, 14 Meter langes und fünf Meter breites Feld aus geschmolzenem Basalt den Ort der einstigen Verbrennung der Leichen. Ein Kreis rund um den Steinturm sowie Teile des Geländes der Massen- bzw. Aschegräber – insgesamt rund 22.000 m2 – sind mit Betonplatten überdeckt, auf denen etwa 17.000 gebrochene, unbehauene Granitsteine unterschiedlicher Größe verteilt stehen, die jüdische Grabsteine symbolisieren. In 216 von ihnen sind Namen von Herkunftsorten und -gemeinden der Opfer von Treblinka eingraviert. Die einzige auf dem Gelände erwähnte individuelle Person ist der bereits erwähnte Arzt und Pädagoge Janusz Korczak. Der nördliche, das „Wohnlager“ (Lager III) umfassende Abschnitt des Geländes ist bewaldet. Vom Südende des Lagergeländes führt ein Weg zum ebenfalls zu einer Gedenkstätte umgestalteten ehemaligen Arbeitslager Treblinka I, die wir aus Zeitgründen aber leider nicht besichtigen konnten. Während wir leise durch die Reihen der schier unzähligen Granitsteine schritten, zog mit der Dämmerung erneut Regen auf, so dass dieser düstere Ort allmählich in Dunkelheit getaucht wurde. Auf dem Weg zu dem seit 2006 zur Gedenkstätte gehörenden Museum begegneten wir einer größeren Gruppe israelischer Jugendlicher, die scheinbar im Inbegriff waren, eine Gedenkveranstaltung durchzuführen. Ich blieb kurz stehen, um die Szenerie einen Moment lang aus einiger Entfernung zu beobachten. Nachdenklich ging ich weiter, quer über den Besucherparkplatz, hinein in das kleine weiße Haus, in dem sich die Ausstellung befand. Neben diversen im Zuge archäologischer Grabungen gefundener Sachquellen und einigen von einer Schulklasse aus Deutschland erarbeiteten Informationstafeln bildete ein Modell des ehemaligen Vernichtungslagers das Zentrum dieser keinem einheitlichen Konzept folgenden Ausstellung. Da ich bei meinen Recherchen in Vorbereitung auf mein kleines, kurz zuvor an der Rampe gehaltenes Inputreferat feststellen musste, dass die Literatur zum Vernichtungslager Treblinka erschreckend überschaubar ausfällt und auch nur sehr wenig zeitgenössisches Fotomaterial zu diesem Lager existiert, war dieses Modell für mich eine große Hilfe, um den Aufbau des Lagers einmal bildlich vor Augen geführt zu bekommen, über den ich zuvor nur gelesen bzw. den ich mir mit Hilfe schematischer Lagepläne zu erschließen versucht hatte. Demzufolge wäre es für uns alle gewiss besser gewesen, erst das Museum und dann die Gedenkstättenanlage zu besichtigen, um sich auf dem Gelände der Gedenkstättenanlage besser vorstellen zu können, welcher Lagerabschnitt sich wo befand. Wenn man bedenkt, dass in Auschwitz in etwa viereinhalb Jahren ca. 1,1 bis 1,5 Millionen und in Treblinka in nur gut einem Jahr etwa 900.000 Menschen ermordet worden sind – Treblinka demzufolge das am „effizientesten“ arbeitende Lager zur Vernichtung von Menschenleben war –, dann ist es umso erschreckender, dass dieser Gedenkstätte scheinbar nur wenig Beachtung geschenkt wird, wie an dem Fehlen von Führungen für Besucher*innen oder der zum Teil von Schüler*innen – und damit von geschichtswissenschaftlichen Laien – erarbeiteten Ausstellung ersichtlich wird. Da unser Zeitplan unter anderem aufgrund der weiten Entfernungen, die zwischen unseren Zielen lagen, recht eng gesteckt war, blieb uns nach der Besichtigung des Museums leider keine Zeit mehr, um noch länger auf dem Gedenkstättengelände zu verweilen. Der uns im Nacken sitzende Zeitdruck ärgerte mich etwas, da ich das Lagergelände sowie dessen Umgebung weiter erkunden wollte, um diesen Ort noch intensiver auf mich wirken zu lassen. Demzufolge hat sich in mir der Gedanke festgesetzt, noch einmal nach Treblinka zurückzukehren, um die Gedenkstätte erneut und diesmal ohne Zeitlimit besichtigen zu können.

Tag 4

Nach dem Frühstück wartete unweit des Restaurants bereits Stanislaw Sieminski auf unsere Reisegruppe. Der 1939 zur Welt gekommene Rentner arbeitete bis 1989 als Lehrer und verdient sich mit seiner Tätigkeit als Fremdenführer seit 1965 ein kleines Zubrot. Folglich hatte er auch für uns eine etwa zweistündige Route durch das zum Teil recht verwinkelte und zugewucherte Areal der ehemaligen „Wolfsschanze“ vorbereitet. Sein Versuch, das Eis mit der Aussage zu brechen, er sei nur „Fremdenführer“ und kein „Führer“ rief bei den meisten unserer Gruppe nicht einmal ein müdes Lächeln hervor. Er verstand recht schnell, dass wir – vielleicht im Gegensatz zu anderen Gruppen – auf derlei „Späße“ keinen Wert legten und verzichtete schließlich weitgehend auf sie. Akustisch durch ein Headset und einen kleinen, um den Bauch gebundenen Lautsprecher unterstützt lotste er uns zwischen den teilweise gigantischen Bunkerruinen entlang, die nach und nach von der Natur zurückerobert werden. Vorbei ging es an den Ruinen der Gebäude der Leibwache Hitlers, einem Gästebunker sowie den aufgrund ihrer Größe sehr imposant wirkenden Bunkern Martin Bormanns, der u.a. das Amt des Leiters der Parteikanzlei der NSDAP bekleidete, Hermann Görings, der u.a. den Oberbefehl über die deutsche Luftwaffe innehatte, Alfred Jodls, der Chef des Wehrmachtsführungsstabes im Oberkommando der Wehrmacht, und Adolf Hitlers. Auf Warnhinweise, das Betreten der Ruinen sei strengstens untersagt, achtete Herr Sieminski nicht sonderlich, da er der Ansicht war, dass Jugendliche ja ohnehin neugierig seien und man diese Neugierde nicht unterdrücken sollte. Und so kraxelten wir durch die schmalen, dunklen, feuchten Gänge einiger Bunker. Überraschend war hierbei, dass die Bunker – zumindest soweit wir sie noch erkunden konnten – keine oder nur sehr wenige Räume enthalten, sondern als reine Schutzanlage im Angriffsfall für die nationalsozialistische Führungsriege konzipiert worden waren. Da abgesehen von einem großen Überblicksplan in Nähe des Restaurants, auf dem alle Gebäude der „Wolfsschanze“ eingezeichnet sind, sowie eines kleinen Gedenksteins an jener Stelle, an der sich einstmals die Baracke befand, in der das Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler scheiterte, sind keinerlei Informationstafeln an den einzelnen Bunkerruinen angebracht worden. Auch diese Tatsache stützte unseren bereits erwähnten Eindruck, dass dem privaten Besitzer des Areals der „Wolfsschanze“ scheinbar wenig an einer historischen Aufarbeitung gelegen ist. Demzufolge erwies es sich als unabdingbar, mit Herrn Sieminski im Vorfeld einen Guide für die Besichtigung der Anlage gebucht zu haben. Eine entsprechende Übersicht aller Guides findet sich übrigens auf der Homepage der „Wolfsschanze“. Als ich mir – wie auch einige andere Teilnehmer*innen – im Anschluss bei Herrn Sieminski das von ihm geschriebene Buch „Masuren – Bekanntes und doch unbekanntes Land“ gekauft habe, das sich inhaltlich auch mit der „Wolfsschanze“ auseinandersetzt, hat er unsere Gruppe dafür gelobt, dass sie sehr aufmerksam gewesen sei – ein Eindruck, den ich angesichts diverser interessierter Nachfragen nur bestätigen konnte. Nachdem ich in einer Ecke des Speisesaals des Restaurants Leinwand, Beamer und Laptop für den im Anschluss an das Mittagessen stattgefundenen Workshop aufgebaut hatte, erkundete ich noch einen weiteren Abschnitt des Geländes auf eigene Faust. Hier befinden sich unter anderem die Unterkünfte für Fritz Todt, der 1938 die militärisch organisierte Bautruppe Organisation Todt gegründet hatte und am 08. Februar 1942 bei einem Flugzeugabsturz unweit der „Wolfsschanze“ ums Leben gekommen ist. Darüber hinaus bin ich auch auf die Unterkunft für Albert Speer gestoßen, der nach Todts Tod das zuvor von ihm bekleidete Amt des Reichsministers für Bewaffnung und Munition übernommen hatte. An einem unweit dieser Unterkünfte gelegenen, noch relativ intakten Bunker, der mit Hilfe von in den Beton eingelassenen Metallsprossen auch erklettert werden kann, fanden sich mehrere Hakenkreuz-Schmierereien – ein weiteres, wenig überraschendes Indiz dafür, welches Klientel dieser Ort unter anderem anlockt.

Tag 5

Im Anschluss an das Frühstück füllten wir den ersten Teil dieses Donnerstags mit einem individuellen Spaziergang aus, der uns quer durch Danzig führte, das mich vor allem von seinem Stadtzentrum her stark an deutsche Hansestädte, wie zum Beispiel Lübeck, erinnerte. Unser ursprüngliches Ziel war jedoch der Danziger Hafen, dessen überdimensionale, weit über die Dächer der Stadt ragende Verladekräne wir bereits aus einiger Entfernung erspähen konnten. Leider verzettelten wir uns hinsichtlich der einzuschlagenden Richtung, so dass wir uns eine ganze Weile am Absperrzaun einer Werftanlage entlanghangelten, bis wir feststellten, dass die Zeit schon weit vorangeschritten war, so dass wir lieber wieder umkehrten. Auf dem Heimweg ließen wir uns zum Mittag noch eine Pizza schmecken, bevor wir mit dem Rest der Gruppe wieder in unserem Hostel zusammentrafen. Hier wurde gemeinsam beschlossen, die für den Nachmittag angesetzte Besichtigung der Westerplatte lieber auf Samstag zu verschieben, da für uns ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit bestand, mit einem Schiff den Weg zur Westerplatte zu bestreiten. Im Gegenzug verlagerten wir nun den ursprünglich für Samstag angedachten Besuch verschiedener Danziger Museen auf Donnerstagnachmittag. Wir unterbreiteten den Teilnehmer*innen das Angebot, entweder das Museum der polnischen Post und das Solidarnosc-Museum oder nur letztgenanntes Museum zu besichtigen. Das Polnische Postamt in Danzig, das heute als Museum der polnischen Post besucht werden kann, gilt als eines der Symbole des polnischen Widerstands gegen den deutschen Überfall auf Polen. Als das nationalsozialistische Deutschland am 01. September 1939 Polen überfiel, verschanzten sich 57 Postbeamte in jenem Gebäude, um selbiges über 14 Stunden lang erbittert gegen die deutschen Angreifer zu verteidigen. Während sich etwa die eine Hälfte unserer Gruppe dafür entschied, beide vorgeschlagenen Museen zu besichtigen, brach ich wenige Minuten später mit der anderen Hälfte in Richtung Solidarnosc-Museum auf. Aufgrund der vielen Eindrücke und Informationen, die wir bereits in den vergangenen Tagen gesammelt hatten sowie angesichts der Tatsache, dass das Solidarnosc-Museum bereits 18 Uhr schließen würde, empfand ich es persönlich für ausreichend, mich auf den Besuch eines Museums zu konzentrieren. Nach kurzem Fußmarsch erreichten wir das riesige, rostbraune Gebäude, das neben einer Dauerausstellung zur Solidarnosc-Bewegung auch ein Archiv sowie eine Bibliothek beinhaltet und sich laut eigener Aussage als Plattform für Bildung, Solidarität und Demokratie versteht. Nachdem wir das geschichtsträchtige Tor der ehemaligen Werftanlage, an dem die 21 Forderungen der Solidarnosc-Bewegung befestigt worden waren, durchschritten, den Eintritt gelöhnt und unsere Audioguides abgeholt hatten, betraten wir die sieben große Räume umfassende Dauerausstellung im ersten und zweiten Stock. Die Ausstellung zeichnete nicht nur den Werdegang der Solidarnosc-Bewegung von deren Gründung im Jahre 1980 bis zur mit dem Niedergang der Sowjetunion verbundenen Wendezeit Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre nach, sondern ging auch auf vorangegangene Streiks ein. Das berühmteste Beispiel stellt hierbei der Streik vom Dezember 1970 dar, bei dem es aufgrund von Preiserhöhungen in Gdingen, Danzig und Stettin zu Streiks, Massenkundgebungen und Demonstrationen kam. Das riesige Monument der gefallenen Werftarbeiter*innen vor dem Solidarnosc-Museum erinnert heute an die im Zuge jenes Streiks ums Leben gekommenen Werftarbeiter*innen. Das moderne Konzept des Museums zielt darauf ab, die Besucher*innen an geeigneten Stellen interaktiv in die Ausstellung einzubinden, um ihnen einen Hauch des Lebensgefühls der damaligen Zeit vermitteln zu können. So ähnelt beispielsweise gleich der erste Ausstellungsraum, der sich inhaltlich mit der Gründung der Solidarnosc-Bewegung beschäftigt, der Fertigungshalle einer Werft, während man sich im vierten Raum unter anderem in einen „Star“-Mannschaftswagen der Polizei setzen kann, mit denen während der Zeit nach Ausrufung des Kriegsrechts 1981 und des Verbots der Solidarnosc 1982 gegen Demonstrant*innen vorgegangen worden ist. Hinzu kommen über Lautsprecher eingespielte Sprechchöre von Demonstrationen und Bilder, die angesichts der Mimik der darauf zu sehenden Personen durchaus bewegend auf die Besucher*innen wirken können. In diesem Zusammenhang wurde deutlich, dass die Solidarnosc-Bewegung wie zuvor der Warschauer Aufstand 1944 einen wichtigen Bezugspunkt für die nationale Identität Polens bildet.

Tag 6

Nach dem Frühstück brachen wir an diesem Vormittag in Richtung des 37 Kilometer von Danzig entfernt liegenden ehemaligen Konzentrationslagers Stutthof auf. Leider fuhren wir anfänglich in die entgegengesetzte Richtung, da wir die Adresse des Verwaltungsbüros der heutigen Gedenkstätte ins Navigationssystem eingegeben hatten, das sich allerdings gar nicht auf dem Gelände derselben befindet. Als wir das ehemalige Konzentrationslager letztendlich doch noch erreicht hatten, wartete bereits ein Mitarbeiter der Gedenkstätte auf uns, der uns in perfektem Deutsch knapp zwei Stunden lang über das Gelände des so genannten Alten Lagers führte – von den 120 Hektar, die das KZ Stutthof einstmals umfasste, können heute nämlich nur noch 20 Hektar als Gedenkstätte besichtigt werden. Ausgangspunkt unserer Führung bildete die ehemalige Kommandantur, in der sich einstmals unter anderem Verwaltungsbüros, die Kanzlei des Lagerkommandanten sowie die Kasinos und Kantinen für die SS-Offiziere und SS-Wachmannschaften befanden. Heute beherbergt das Gebäude die Büros der Museumsverwaltung, die Bibliothek, das Kino und das Archiv der Gedenkstätte. Einen ersten Zwischenstopp legten wir in der Baracke der politischen Abteilung ein, die einem Gestapo-Beamten aus Danzig unterstellt war und Informationen von angekommenen Transporten bekam. Hier wurden die Transportlisten errichtet, Lagernummern zugeteilt, über Todesstrafen und Urteilsvollstreckungen entschieden und Totenscheine ausgestellt. Heutzutage beginnt in dieser Baracke die zur Gedenkstätte gehörige Ausstellung. Anschließend durchschritten so genannte Todestor, eine Holzkonstruktion, vor der neu angekommene Häftlinge auf die Aufnahme in das Lager warten mussten. Auf dem Gelände des Alten Lagers betraten wir eine links liegende Baracke, die insgesamt zwölf Räume umfasste – darunter eine Kantine, eine Krankenstube sowie die Waschräume und Toiletten für Frauen; daher auch die Bezeichnung „Frauenbaracke“. Anhand eines großen Modells führte uns der Guide die riesigen Ausmaße des Lagers vor Augen, die das KZ Stutthof annahm, als auch das Neue Lager sowie das Sonderlager für prominente Häftlinge – so zum Beispiel für Angehörige des Verschwörerkreises des 20. Juli 1944 – fertiggestellt worden waren. Allein das Neue Lager umfasste insgesamt 30 Fertigbauteilbaracken, in denen 10.000 Menschen zusammengepfercht wurden. In zehn dieser Baracken waren verschiedene Werkstätten eingerichtet – darunter eine Schusterei, eine Schneiderwerkstaat, eine Weberstube und eine Sattlerwerkstatt. Heute erinnert jeweils eine kleine weiße Mauer an die einstige Existenz einer KZ-Baracke.
Im hinteren Teil des Alten Lagers steht heute noch die 1943 erbaute Gaskammer, die ursprünglich der Desinfektion der Häftlingskleidung diente, 1944 jedoch auch zum Mord an Häftlingen genutzt wurde. Hinter der Gaskammer kann ein Waggon der ehemaligen Schmalspurbahn des Lagers besichtigt werden, die aufgrund der immensen Größe des Lagers zum Transport von Häftlingen sowie von Baumaterialien diente. Rechts neben der Gaskammer befindet sich das ehemalige Krematorium, das Ende August 1942 in Betrieb genommen wurde. Ursprünglich handelte es sich hierbei um einen Metallofen mit Holzüberdachung, bis die Berliner Firma Kori zwei zusätzliche Backsteinöfen errichtete, die eine Holzbaracke umgab. Hinter dem Krematoriumsgebäude steht zudem ein Galgen, an dem Todesstrafen vollzogen wurden, von denen andere Häftlinge im Lager nichts wissen sollten. Ein neben der Gaskammer errichteter Davidstern sowie ein sich zwischen den beiden Krematoriumsöfen befindliches Holzkreuz sollen an die Opfer des KZ Stutthof erinnern. Hinzu kommt das große, 1968 errichtete Mahnmal für Kampf und Martyrium. Der horizontale, 48 Meter lange Teil des Mahnmals symbolisiert die Leiden der Opfer. In diesen Block wurde ein Reliquienschrein eingebaut, in dem sich Asche verbrannter Häftlinge befindet. Der elf Meter hohe, vertikale Teil des Mahnmals stellt demgegenüber Widerstand, Überlebens- und Siegeswillen der Häftlinge dar. Hinter dem imposanten Mahnmal befindet sich ein Komplex von drei Hallen für die Deutsche Ausrüstungswerke GmbH (DAW). Etwa 120 Häftlinge mussten hier Zwangsarbeit verrichten, um unter anderem Flugzeugteile für die Bremer Focke-Wulff GmbH herzustellen. Weitere 100 Häftlinge waren für die Firma F. Schlichau GmbH aus Elbing mit der Herstellung und Montage der Teile von Motoren, Maschinen und Geräten zur Ausstattung von U-Booten der Kriegsmarine beauftragt. Da diese Hallen nicht zum Besitz der Gedenkstätte gehören, dürfen sie von Besucher*innen nicht betreten werden.

Eine Treppe führt hinauf zu einem Denkmal aus hellem Stein, dass in die Höhe gen blauen Himmel ragt. An manchen Stellen des Denkmals sind menschliche Figuren und Gesichter zu erkennen, an manchen Stellen scheint auch etwas geschrieben. Im HIntergrund sitzen unter dem Denkmal circa zehn Personen. Eine männlich und eine weiblich gelesen Personen stehen im Vordergrund und scheinen sich zu unterhalten, genauso wie drei weitere weiter oben auf der Treppe.
Bei dem Stopp in Danzig darf der Besuch der Westernplatte nicht fehlen.

Tag 7

Nachdem wir an diesem sonnigen Samstag gefrühstückt und unser Gepäck schon einmal im Bus verstaut hatten, begaben wir uns zu einer der Bootsanlegestellen, von der aus Schiffsrundfahrten durch Danzig starteten. Um die Wegstrecke zur Westerplatte, unserem ersten Programmpunkt an diesem Tag, etwas interessanter zu gestalteten, buchten wir für unsere Gruppe eine solche Rundfahrt, verzichteten bei der Bootsauswahl aber auf das verwegen hergerichtete Piratenschiff, um etwas Geld zu sparen. Bevor wir es uns auf dem Oberdeck des Schiffes gemütlich machten, knipsten wir noch ein schönes Gruppenfoto. Nun wurden die Motoren angeworfen und die Fahrt konnte beginnen. Eine via Lautsprecher eingespielte Stimme erklärte uns erst auf Polnisch, dann auf Deutsch, welche Sehenswürdigkeiten wir während der Rundfahrt gerade passierten. Vorbei ging es unter anderem an der Danziger Werftanlage mit ihren imposanten Kränen sowie zahlreichen riesigen Schiffen und der Festung Weichselmündung, deren Turm bis 1758 als Leuchtturm diente. An der Mündung zur Ostsee vollzog das Schiff ein Wendemanöver, um anschließend unweit der Westerplatte anzulegen, so dass wir von Bord gehen konnten. Wir passierten die geschmückten Gräber derjenigen polnischen Soldaten, die bei der Verteidigung ihr Leben ließen, bevor wir die Ruinen des Munitionsbunkers betraten, dem der deutsche Angriff am 01. September 1939 vorrangig galt. Einige hundert Meter weiter ist das mit seinen 23 Metern Höhe weithin sichtbare Denkmal der Westerplatte auf einem kleinen Hügel gelegen, das den erbitterten Kampf der polnischen Verteidiger darstellt. Am Fuße des Hügels gab eine unserer Teamer*innen einen kurzen Überblick über die historische Bedeutung der Westerplatte hinsichtlich des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs.

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