Hilfe zur Selbsthilfe für geflüchtete Menschen im Landkreis Leipzig
Beobachtungen aus der Beratung für Geflüchtete sowie Gesprächen mit den Flüchtlingssozialarbeit*innen zeigten, dass die Betreuungs- und Unterstützungsangebote des Öfteren auch von Personen in Anspruch genommen werden, die entweder eine Bleibeberechtigung haben oder schon mehrere Jahre in Deutschland leben. Insbesondere suchen sie (teils trotz vorhandener Deutschkenntnisse) Unterstützung beim Ausfüllen diverser Formulare (zum Beispiel für Jobcenter- oder Kindergeldanträge), was oft von Sozialarbeiter*innen erledigt wird, aber für diese eigentlich einen hohen Zeitaufwand darstellt. Der Verein zweifelte jedoch an der Nachhaltigkeit, wenn den Hilfesuchenden diese Alltagsaufgaben stets durch Dritte abgenommen werden. Es entstehen Abhängigkeiten, die einer Integration im Wege stehen können.
Besonders im Hinblick auf die Integration sollte Hilfe zur Selbsthilfe mehr in den Vordergrund gerückt werden. Die Hilfesuchenden sollten perspektivisch dazu bemächtigt werden, sich wiederholenden bürokratischen und behördlichen Anforderungen allein und selbstständig stellen zu können. Dahinter steht ein mehrstufiger Lernprozess, der einige Zeit in Anspruch nehmen kann und begleitet werden muss. Vielen Migrant*innen muss zunächst die aufgebaute Angst genommen und aufgezeigt werden, warum es für sie und ihre Familie wichtig ist, sich dieser Anforderung selbstständig zu stellen. Der Hintergrund sowie Inhalt einzelner Anträge und Formulare muss erläutert werden, um deren Zweck und Bedeutung verständlich zu machen. In diesem Zusammenhang lassen sich nicht nur behördliche Strukturen und Zuständigkeiten erläutern, sondern zugleich kann im Allgemeinen die Funktion des Sozialhilfesystems als eine vorübergehende staatliche Unterstützungshilfe hervorgehoben werden. Neben der Hilfe zur Selbsthilfe zielt die geplante Maßnahme auf die Entlastung der Flüchtlingssozialarbeit und sie soll vermeiden, dass minderjährige Kinder mit besseren Deutschkenntnissen die Verantwortung für ihre Eltern übernehmen.
Die Mitarbeiterinnen boten daher wöchentlich Migrant*innen an, gemeinsam mit ihnen Anträge oder Formulare auszufüllen und ihnen deren Inhalt und Zweck zu erläutern. Ihnen wurde gezeigt, wie sie in Deutschland einen Brief verschicken (zum Beispiel: Wo stehen auf dem Brief der Absender*in und Empfänger*in) und wie sie wiederkehrende Aufgaben selbst erledigen können (zum Beispiel: Wie schicke ich eine Befreiung an die GEZ? Wie fülle ich einen Überweisungsträger aus? Wie führe ich ein Konto?).
Das Angebot umfasste ferner das Ordnen von Briefen, die oft vollkommen unsortiert in Plastiktüten mit sich herumgetragen werden. Die Mitarbeiterinnen stellten ein Ordnungssystem vor, mit dem die Betroffenen den Überblick behalten können. Gemeinsam wurden Mappen angelegt, in denen die Briefe thematisch sortiert und eventuell mit einer kurzen Notiz in der jeweiligen Landessprache beschriftet sind.